Tag-Nacht Sequenz

Die Nacht Zeit muss im Flugbuch von jedem Piloten eingetragen werden, da gemäß EASA FCL.050 jedes Flugbuch die Betriebsbedingungen enthalten muss und die Nacht Zeit eine dieser Bedingungen ist. Dies kann jedoch schwierig sein, da es während eines Fluges mehrere Perioden geben kann, in denen der Flug von Tag auf Nacht und umgekehrt wechselt, so dass es mehrere Nacht-Sequenzen gibt. Doch wie genau wird die Nacht Zeit definiert, und welche Faktoren können die Nacht Zeit beeinflussen?


Embrear E190-E2 Cockpit während einer Dämmerungsphase

Definition von Nacht Zeit

Die EASA definiert Nacht in FCL.010 wie folgt:

„Nacht“ bezeichnet den Zeitraum zwischen dem Ende der normalen Abenddämmerung und dem Beginn der normalen Morgendämmerung oder einen anderen von der zuständigen Behörde vorgeschriebenen Zeitraum zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang, wie vom Mitgliedstaat definiert.

Es ist darauf hinzuweisen, dass im deutschen Sprachraum mehr der Begriff der bürgerlichen anstelle der normalen Dämmerung verwendet wird. Aus diesem Grund wird in diesem Artikel, wenn immer von der normalen Dämmerung nach EASA die Rede ist, auf den Begriff der bürgerlichen Dämmerung zurückgegriffen.

Eine sehr ähnliche Definition der Nacht Zeit findet sich im Airplane Flying Handbook der FAA als den Zeitraum zwischen dem Ende der bürgerlichen Abenddämmerung und dem Beginn der bürgerlichen Morgendämmerung.

Die Nacht Zeit ist somit nicht einfach als der Zeitraum zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang definiert. Im nächsten Abschnitt wird erläutert, was unter der normalen Abend- und Morgendämmerung zu verstehen ist.

Es ist zu beachten, dass sich Tag- und Nacht Zeit während eines Fluges abwechseln können und dass mehrere Sequenzen von Tag- und Nachtflugzeit Teil desselben Fluges sein können. Die aufzuzeichnende Nacht Zeit ergibt sich aus der Summe all dieser Nachtflugsequenzen. Diese Sequenzen treten zum Beispiel auf, wenn von sehr hohen (polaren) Breiten in niedrigere Breiten geflogen wird.

Definition der bürgerlichen Abend- und Morgendämmerung

Der National Weather Service der Vereinigten Staaten von Amerika definiert die Dämmerung als die Zeit vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang, in der der Himmel nur teilweise von der Sonne beleuchtet wird. Es gibt drei Arten von Dämmerung: bürgerliche, nautische und astronomische Dämmerung. Die bürgerliche Morgendämmerung beginnt, wenn die Sonne sechs Grad unter dem Horizont steht, und endet bei Sonnenaufgang. Die bürgerliche Abenddämmerung beginnt bei Sonnenuntergang und endet, wenn die Sonne sechs Grad unter dem Horizont steht. Beide Dämmerungen dauern in der Regel etwa 30 Minuten, können jedoch jahreszeitlich bedingt variieren.

Abbildung der unterschiedlichen Typen von Dämmerung

Nun kann man sich zu Recht fragen, welcher Horizont verwendet werden soll, da dieser je nach Höhe und Koordinaten erheblich variieren kann. In der Praxis wird eine bestimmte Höhe und Koordinate verwendet, um die Dämmerung zu bestimmen.In der Schweiz listet Skyguide im VFR-Handbuch alle bürgerlichen Morgen- und Abenddämmerungen auf und verwendet dabei explizit den Begriff “bürgerlich” anstelle von “normal”. Als Referenz wird die Sternwarte Bern verwendet. Diese Praxis ist für VFR-Flüge innerhalb der Schweiz sinnvoll. Bei längeren Flügen, insbesondere bei Langstreckenflügen über die Weltmeere, müssen vereinfachte Annahmen getroffen werden. Ein bewährter Ansatz besteht darin, den Flugweg als Grosskreisroute zu behandeln und eine bestimmte Anzahl von Koordinaten dieser Route zu verwenden, um die Position der Sonne in Bezug auf den Horizont zu einem bestimmten Zeitpunkt zu bestimmen.


Was ist eine Grosskreisroute?

Eine Grosskreisroute ist der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten auf einer Kugel, wie z. B. der Erde, der oft eher einem Bogen als einer geraden Linie (Loxodrome) gleicht.

Veranschaulichung des Unterschieds zwischen einer Grosskreissroute und einer Loxodrome an der Strecke Zürich-New York

Polare Dämmerung und Polarnacht

Da eine beträchtliche Anzahl von Flügen, insbesondere Interkontinentalflüge zwischen Europa und den USA, die Polargebiete überfliegt (siehe Abbildung unten), ist auf die Phänomene der polaren Dämmerung und der Polarnacht hinzuweisen.

Screenshot von FlightRadar24 um die Frequenz von Polarouten bei Transatlantikflügen zu veranschaulichen
Screenshot von FlightRadar24 (aufgenommen am 22. Februar 2024 um 12:13 UTC)

Die polare Dämmerung tritt nur in Regionen auf, die am inneren Rand des Polarkreises liegen. Sie ist mit der Wintersonnenwende verbunden, wenn die Sonne den ganzen Tag unter dem Horizont steht. Während der Polarnacht gibt es kein Tageslicht und somit keinen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang, sondern nur eine (polare) bürgerliche Dämmerung. Dieses Phänomen tritt in Breitengraden zwischen 67°24' und 72°34' Nord oder Süd auf.

Mittags ist während einer (bürgerlichen) Polarnacht nur ein schwacher Lichtschein zu sehen. Dieses Phänomen tritt auf, wenn die Sonne zwischen 12° und 6° unter dem Horizont steht und somit nur eine nautische Dämmerung herrscht. Es tritt ausschließlich auf Breitengraden über 72°34' (innerhalb des Polarkreises) auf.

Die Berechnung von Tag- und Nacht-Sequenzen auf Routen, die den Polarkreis zu einem beliebigen Zeitpunkt überqueren, wird dadurch komplizierter, da die Dämmerungsphasen entweder sehr lang oder sehr kurz sein können.

Änderungen in der Tag-Nacht-Sequenz

Wir haben bereits einige Faktoren genannt, die einen großen Einfluss auf die Tag-Nacht-Sequenz haben können. Auch weitere Faktoren wie bestimmte Jahreszeiten spielen eine wichtige Rolle. Im Februar beobachten wir in Europa beispielsweise Flüge mit mehr als bis zu drei Wechseln zwischen Tag und Nacht. Dies geschieht zum Beispiel bei Flügen vom hohen Norden, wie dem finnischen Lappland (oberhalb des Polarkreises), in südlichere Regionen wie die Schweiz. Es gab einen Flug, bei dem dies tatsächlich so passiert ist. Der Flug startete am 29. Januar 2022 um 14:33 UTC in EFKT und landete um 17:58 UTC in LSZH. Während des Fluges gab es insgesamt drei Änderungen der Tageszeit: Um 14:36 UTC wurde es Nacht, um 16:03 UTC wurde es wieder Tag und schließlich um 17:24 UTC wurde es erneut Nacht.

Veranschaulichung der Flugroute zwischen Zürich und Kittilä

Eine Kombination anderer Faktoren kann die Bestimmung der Tag-Nacht Sequenz noch komplizierter machen, z.B. die Geschwindigkeit des Flugzeugs. Auf der Flugstrecke des obigen Beispiels gilt: Je schneller das Flugzeug fliegt, desto mehr Wechsel sind möglich.

Wenn eine große Anzahl von Längengraden überflogen wird, entweder mit oder gegen die Tag-Nacht-Grenze, sind Änderungen in den Tag- und Nacht-Sequenzen zu erwarten. Jedoch kann es nicht nur beim Fliegen in großen Höhen zu Verwirrungen in Bezug auf die Position des Horizonts kommen, wie in der Definition der bürgerlichen Dämmerung erwähnt. Während des Rollens (innerhalb der Blockzeit) kann es zum Beispiel zu einem Wechsel von Tag und Nacht kommen. Da es sich bei der Blockzeit um die Flugzeit handelt, die gemäß EASA FCL.050 aufzuzeichnen ist, müssen diese Änderungen berücksichtigt werden.


Wussten Sie schon?

Für eine Aufzeichnung einer Nachtlandung muss diese gemäß EASA FCL.010 oder einer ähnlichen Anforderung Ihrer zuständigen Behörde innerhalb der Nacht-Sequenz erfolgen. Das Gleiche gilt für Starts und Touch-and-Goes.